Die Welt handelnd verstehen und mitgestalten – Informatische Bildung

1. Intro

Im Folgenden wird ein Forschungsvorhaben und -design skizziert, welches FabLabs als besondere Orte für die Arbeit und das Lernen lebensnaher informatischer und medialer Inhalte untersucht und diese Prozesse für den schulischen Transfer und die Anschlussmöglichkeiten für das Curriculum auslotet. Rahmend ist dafür das Forschungsformat Design-Based-Research. Dabei ist es das Ziel, in drei iterativen Zyklen theoriegeleitet Bildungsangebote mit dem Fokus der informatischen Bildung zu entwickeln und diese Analyse und Ergebnisse auf schulische Anforderungen soweit möglich zu übertragen. Die Laufzeit des Forschungsprojektes beträgt drei Jahre. Innerhalb dieser Zeit findet jedes Jahr ein Durchführungszyklus statt. Drei Zyklen sind geplant, welche einem festen Ablauf folgen: 

  1. Iterative und partizipative Entwicklung und später Spezifizierung und Verfeinerung von Bildungsmodulen basierend auf DBR und Designhypothesen
  2. Durchführung und Evaluation 
  3. Auswertung, Entwicklung/Ableitung von Designprinzipien, theoretische Einbettung und Kontextualisierung
  4. Erstellung eines Modulhandbuchs mit Empfehlungen zur Rahmung und Durchführung, wissenschaftlich begründeter Übertrag der Ergebnisse/ Auslotung der Reichweite
2. Arbeitskulturelle Rahmungen eines FabLab

Zunächst möchte ich mit den institutionellen Rahmungen eines Fab Lab beginnen, im Verständnis des DBR der Rahmung des Kontextes, der einen Einfluss auf die später zu konzipierenden Bildungsmodule hat. Ein FabLab – Fabrication Laboratories – ist ein kreatives Labor, welches Menschen überall auf der Welt einen standardisierten Zugang zu Maschinen und Know How ermöglicht, um eigene Projekte zu entwickeln und zu verwirklichen. Der Begriff Fab Lab selbst ist nicht geschützt, dennoch vereinen die Fab Labs an vielen Orten auf der Welt ein Grundverständnis eines spezifischen Agreements, eines Arbeitsethos, der Fab Charter (https://fabfoundation.fablabbcn.org/index.php/the-fab-charter/index.html): Wichtige Grundpfeiler der Arbeit in einem Fab Lab ist die Übereinkunft:

  • dass Maschinen Menschen zugänglich sind 
  • dass der Zugang zum Lab darauf beruht, dass die Nutzer:innen nach einer Einführung und ersten Begleitung selbstständig lernen Software und Maschinen zu bedienen und einzusetzen
  • dass allen Nutzer:innen Mentor:innen/Tutor:innen an die Seite gestellt werden, die sie in der Arbeit unterstützen. Gleichzeitig wird von den Erstnutzer:innen erwartet, dass sie in einem späteren Schritt ähnlich ihren Mentor:innen/Tutor:innen ihr Wissen an neue Nutzer:innen weitergeben, also dann die Rolle der Mentor:in oder der Tutor:in wahrnehmen. 
  • Zudem wird erwartet, dass die entwickelten und umgesetzten FabLab-Projekte dokumentiert und anderen Nutzer:innen zugänglich gemacht werden.

Hieraus deutlich abzulesen ist die weit über die eigene Person hinausreichende Verantwortung für die besondere Arbeitskultur des Fab Labs. Die Arbeit im Lab beruht auf Zugänglichkeit und Zugänglich-machen der Maschinen und Software und der Kooperation und Kollaboration. Das sind wichtige Pfeiler, die es gilt bei der Konzeption eines Bildungsangebotes zu berücksichtigen.

3. Informelle Kompetenzen versus informatische Bildung

Digitale Medien haben unseren Alltag und Leben durchdrungen und junge Menschen wachsen in und mit dieser digital geprägten Kultur auf. Somit können die jetzt jungen Menschen für sich reklamieren, Digital Natives zu sein, weil sie eine Welt ohne digitale Medien nicht kennen. Hinsichtlich Nutzung und Einsatz digitaler Medien kann dies sicher bestätigt werden, sie fremdeln nicht mit dieser Technologie, sie fürchten diese nicht. Digitale Medien sind selbstverständlicher Teil ihres Lebens. 

Es kann heute klar belegt werden, dass junge Menschen Prosumer, also eine Mischform aus Nutzer:innen und Produzent:innen sind. Schauen wir uns die viel genutzten social media Kanäle an – exemplarisch Twitter, Instagram, TikTok, Youtube, Twitch, WhatsApp – so sind die Kinder Follower:innen, Influencer:innen und vielleicht sogar Heros und sie können in abgestuften Formen teilnehmen, sich einbringen und per Like, Kommentierung oder eigenen Beiträgen mit einer Community, in einem Spiel oder einer App interagieren.  Gleichzeitig können sie selbige Kanäle aber auch dafür nutzen, um eigene Inhalte zu produzieren, einzustellen und eine Community aufzubauen. Die Grenzen sind hier durchlässig, Netzkinder sind beidseitig unterwegs, sie konsumieren, kommunizieren, produzieren und kollaborieren in ihrer Lebenswelt – wo das Reale und das Digitale nur eine ältlich-historisch konservierend-bewahrende Unterscheidung bedeuten kann.

Aus der Geschichte heraus sind die Prozesse, die Rechenleistung, die Verarbeitung der Daten im Rechner konzeptionell gewollt nicht sichtbar beim Einsatz und der Nutzung. Zudem sind informatische Inhalte im schulischen Kontext der Primarstufe bisher im Lehrplan nur in ersten Ansätzen vertreten. Und Kinder im Grundschulalter können informatische Prozesse und Konzepte nicht aus sich selbst heraus, aus Erfahrungen ableiten.  Es gilt die versteckten Prozesse sichtbar und erfahrbar zu machen und so den Kindern ein Fenster zu den Handlungs- und Gestaltungsräumen der informatischen Bildung zu eröffnen. Hierzu gehören eng miteinander verwobene Bereiche, die es gilt in der Arbeit nochmals näher zu untersuchen und in der Erprobung zu schärfen: 

  • Be-Greifbarkeit
  • Von konkretem Tun zu abstrakten Modellen
  • Selbstkonzept, Identität und Kontext – die Welt handelnd verstehen und mitgestalten

Hieraus ergeben sich folgende Annahmen ans Untersuchungsfeld:

  • Die Haltung und das Selbstverständnis der Kinder zu digitalen Medien ist unbekümmert, ein Füllhorn an Möglichkeiten und Versprechen, es ist Teil ihrer sozialen Welt und die Technologie ist sowohl Werkzeug, wie auch sozialer Raum. 
  • Kinder reklamieren für sich Digitale Medien als ihnen vorbehaltene Strukturen und Räume. Der Clash der Kulturen verläuft entlang der Statusgruppen (Schüler:innen + Lehrkräfte, Kinder + Eltern). Die digital Natives (die junge Generation) sprechen der Schule und den Lehrkräften ab, in diesem Feld mitspielen, gestalten oder etwas Weltbewegendes vermitteln zu können. Scheinbar unüberbrückbare Differenzen sind eine gute Basis, um hierüber ins Gespräch miteinander zu kommen.
  • Digitale Medien sind schon länger Gegenstand und Thema in Schule, aber in der Regel abgeschnitten und befreit vom technologischen Kern, also dem, was in der Maschine passiert – Digitale Medien werden vorwiegend und gerne als Werkzeuge eingesetzt. 
  • Anders im Fab Lab – hier sind Stofflichkeit und Digitales eng verzahnt – in der Arbeit, im Basteln, Ausprobieren, Umnutzen, in und mit der Programmierung kann Konzept und Handeln mit dem Resultat unmittelbar abgeglichen, reflektiert und modifiziert werden. Die Arbeit im Fab Lab und hier insbesondere die digital-stoffliche Arbeit öffnet neue Handlungs- und Bildungsräume, stärkt bestenfalls die Selbstwirksamkeit und gibt neue Impulse sich als Handelnde/r in der Welt zu begreifen.
  • In der Schule gilt es rückbeziehend und im Wechsel eine Brücke zwischen konkretem Tun und dem Abstrakten zu ermöglichen. Das Selbermachen ist in jeder Tiefe ein Leichtes zu organisieren – Schwieriger ist es zu benennen und auch umzusetzen, welche Inhalte, welches Können die Kinder heute für die Zukunft benötigen, also die Abstraktion und Modelle zu Rahmen, die über das Beispiel hinaus gültig und übertragbar sind.
4. Erste Überlegungen zur Bildungsmodulentwicklung
4.1       Welche Anforderungen und Rahmungen sollen Berücksichtigung finden:
  • Wechsel von Einzel-, Team- und Plenums-Arbeit – Stärkung des sozialen Miteinanders
  • Fortwährende Verständigung, wer wo steht und was die Gruppe plant oder schon entwickelt und verstanden hat, wo Unterstützung benötigt wird – Berücksichtigung und Rücksicht auf differente Ausgangslagen – 
  • Zeitlich von kurz bis mittellang – 2 Stunden-Einheiten pro Modul bis 2-Tage a 6 Stundeneinheiten – 3-4 Module
  • Ergebnisoffene Materialerfahrungen – analog und digital – 
  • Für Jungen und Mädchen spannend – geschlechtersensibel, thematisch möglichst nicht geschlechtlich konnotiert
  • Modularisiert mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden – von Basisschulung – alle Kinder sind auf dem Stand – bis hin zu einem möglichst frei zu gestaltenden komplexeren Projekt im Team
  • Ausgehend von den unterschiedlichen Ausgangslagen der Kinder: wie können die unterschiedlichen Stärken der Kinder sichtbar gemacht und gewürdigt/honoriert werden – grad auch im Feld der informellen Kompetenzen – wertfreier versus wertend-stärkender, wertend-entlastender Umgang mit den digitalen Nutzungspräferenzen und Haltungen – nicht missionarisch-belehrend
  • Individuelle Stärken identifizieren und Anerkennungspraxen entwickeln, später dann auch Stärken der Gruppe herausarbeiten 
4.2       Inhaltliche Anlage des Workshops und dahinterstehende Leitideen/Prinzipien
  • Heterogene oder differente Ausgangslagen und Erwartungen/Vorwissen – informell und schulisch bedingt.
  • Ergebnisoffene versus instruktionistische Materialerfahrungen – 
  • es soll etwas produziert und mit nach Hause genommen werden können – Familie, Freunden, in der Schule das Produkt/Projekt zeigen und den Weg dahin erklären zu können, Schaffen von Anerkennungsanlässen und Reflexion des Geleisteten
  • Ein Thema mit möglichst vielen verschiedenen Zugängen, Sinnen und Herstellungsformen erfahrbar einsetzen – erstasten, malen, kneten, 2D- und 3D- Modellierung
  • Herstellen stofflich-digitaler Artefakte – „Der Körper als Objekt“ – nah am Körper und der Selbsterfahrung, sich selbst zum Objekt nehmen, sich ins Verhältnis setzen (müssen) wird damit gestärkt und unmittelbar gesetzt – Selbstwirksamkeit, Teilhabe und Gestaltungsmöglichkeiten.
  • Abstrakte Modelle und Übertragbarkeit – welche Konzepte sind tragend
  • Arbeit in Teams als fester Bestandteil angestrebt und angeleitet in wechselnden Rollen
4. Erhebungsinstrumente und deren Einsatz

Folgende Instrumente sind geplant zu entwickeln und einzusetzen:

Fragebogen – Zu den Ausgangslagen der Kinder – informatische Kompetenzen, Erfahrungen im Feld, Mediennutzungspräferenzen und besondere Verbundenheit und Vorbehalte zur thematischen Ausrichtung des Workshops wird ein Fragebogen (I) eingesetzt. Zudem wird ein Fragebogen (II) zum Abschluss des Workshops eingesetzt – dieser beinhaltet zwei offene Fragen: ‚Was hat dir heute gut gefallen, was war spannend?‘ Und ‚Was hätte besser gemacht werden können?’

Beobachtungsprotokolle – Es werden Beobachtungsprotokolle erstellt zum Konzept und der Umsetzung – Prozess-Rekonstruktion (während der Projektarbeit und der Präsentation und Vorstellung des Projektes)

Artefakt-Analyse – Zur Tiefe und Komplexität und zum Innovationsgrad des Objektes mit besonderer Beachtung informatischer und kreativer Aspekte wird eine Artefakt-Analyse durchgeführt.

Leitfadengestützte Interviews – Bei spannenden Projekten werden Teams exemplarisch ausgewählt und vertieft leitfadengestützt interviewt zu folgenden Aspekten: 

  • über das Projekt/Objekt, 
  • die Zusammenarbeit, 
  • die Rolle der einzelnen Teilnehmer:innen im Team, in der Arbeit am Projekt 
  • dem Abgleich von Idee und Ergebnis, 
  • was für die Gruppe/Teilnehmer:innen neu war (hieraus gegebenenfalls ableiten, sonst vertiefend nachfragen, was sie schon wussten oder konnten), 
  • was sehr einfach war, was Spaß gemacht hat und was etwas knifflig/schwierig/nicht so doll war und 
  • was sie aus der Arbeit mitnehmen

Dokumentation des Projektes – Zu jedem vertieft erhobenen Projekt wird eine Projektdokumentation in Form eines Metaplans mit anhängender Datenbank angelegt mit den vorläufigen Kategorien: Aufgabe, Skizze, Fotos von Zwischenergebnissen, Screenshots von der Arbeit am Rechner, Transkripte, Fragebögen

Zu Beginn wird es eine Eingangserhebung geben – je nach zeitlicher Vorgabe: mündlich in der Runde mit einer protokollarischen Mitschrift oder per Fragebogen. Diese Erhebung soll die Vorkenntnisse der Kinder und auch die Haltungen zur Technologie und das Interesse am Thema festhalten. 

Es werden während der Durchführung des Workshops Daten erhoben – zu festgelegten Zeiten und inhaltlichen Punkten der Durchführung: dokumentiert wird über Fotos, Screenshots, Audiodateien und Beobachtungsprotokolle). – Anspruch: sehr formalisiert nach Liste – diese wird im Nachgang nach Finalisierung des Bildungsmoduls entwickelt, geprüft und angepasst.

Nach festen Kriterien werden Projekte und Kinder ausgewählt, die vertieft begleitet werden – leitfadengestützte Interviews zum Ende des Projektes vor der Präsentation der Ergebnisse werden hierfür eingesetzt. Diese Interviews werden aufgenommen und transkribiert und folgend anonymisiert.

Zum Ende der Workshops vor einer letzten Plenumsrunde wird ein weiterer Fragebogen eingesetzt, um hier nochmals Highlights des Workshops aus der individuellen Sicht der Kinder zu erheben, aber auch sperrige und schwierige Punkte aus der Perspektive der Kinder als Vollerhebung festzuhalten.

Die Plenumsrunde zum Abschluss des Workshops und vor der Verabschiedung der Kinder ist ein weiteres Instrument zur Bewertung der Stunden der gemeinsamen Arbeit miteinander, diesmal aber mündlich und in einer Runde geäußert, also durchaus auch mit gruppendynamischen Effekten rechnend. Diese Runden werden auf dem Beobachtungsbogen protokolliert. 

Dokumentation des Projektes – Aufgabe, Skizze, Fotos von Zwischenergebnissen, Screenshots von der Arbeit am Rechner – vor und während der Präsentation des Projektes.